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Landsberg (Warthe)
Kreis Landsberg (W.)

Dies ist ein Reisebericht aus dem Jahr 1967 von Wilhelm (Willi) Boenke aus Dresden.

Als DDR-Bürger hatte er schon zu damaliger Zeit die Möglichkeit, seine alte Heimat zu besuchen.

Er war ein Bruder von Hans und Paul Boenke aus Seeberg und hat viele Jahre dort auf Seeberg gelebt.

 

 

Familie Boenke in Dresden:

Nichte Marie-Elisabeth (Neuwedell), Neffe Hans (aus Seeberg), Wilhelm (Willi) und Ehefrau Else Boenke.

Unsere Heimatreise im Sommer 1967       

Seit Jahren war es Edeltrauts und mein Wunsch, unsere Heimat, wo wir die Jahre unserer Kindheit und Jugend bzw. unseren Urlaub verlebten,

noch einmal wiederzusehen und von ihr Abschied zu nehmen.

Ein Reisepass wird nur auf Grund einer Einladung einer in Polen ansässigen Person erteilt. Wir erhielten sie in dankenswerter Weise von

Tante Hannas Cousine Gertrud, die in der Nähe Golinow wohnt. Je Person und Tag werden hier 10.- MDN gegen ca. 50 Zloty umgetauscht.

Um nach Arnswalde zu kommen, wo wir uns mit Gertrud treffen wollten, wurde uns hier eine Fahrkarte über Berlin, Frankfurt, Posen,

Kreuz bis Stargard ausgestellt. Arnswalde ist nicht im Tarifverzeichnis enthalten und den für uns viel kürzeren Tarifweg Cottbus, Frankfurt,

Küstrin, Kreuz gibt es ebenfalls nicht. Trotz des billigen internationalen Tarifes wären die Fahrkarten, die wir nur bis Reppen benutzen konnten,

teurer gewesen. Also lösten wir nur bis Reppen.

Wir fuhren dann am 29.6.67 früh um 5 Uhr über Cottbus, Frankfurt, wo wir 9.11 Uhr eintrafen. Da die Pass- und Zollkontrolle (auf dem Bahnsteig)

kurz und bündig von statten ging, konnten wir gleich in den schon bereit stehenden Zug, 9.27 Uhr ab, einsteigen. Der Zug war schwach besetzt

und wir hatten bis Reppen eine bequeme Fahrt. 10.30 Uhr trafen wir in Reppen ein. Beim polnischen Zugschaffner erkundigten wir uns, ob wohl in Reppen eine Taxe zu bekommen sei. Er bejahte es. Beim Aussteigen zeigte er uns dann vom Bahnsteig aus schon den Taxiplatz. Als wir mit

unserem Gepäck aus dem Bahnhof traten, kamen uns schon die Taxifahrer entgegen. Einer verstand etwas Deutsch und erklärte unserem Fahrer

dann die Reiseroute bis Vietz. Soviel Freundlichkeit und Entgegenkommen hatten wir gar nicht erwartet. Bei strahlendem Sonnenschein,

mit freudigen und wehmütigen Gefühlen, endlich wieder auf heimatlichem Boden zu sein, fuhren wir Richtung Küstrin. So wie früher, ist die

Gegend auch heute noch wenig besiedelt, anders als wir es hier in unserer Gegend gewohnt sind. In Küstrin sieht man noch etwas von dem

ehemaligen Festungswall, sonst nur grün bewachsene Flächen. Ab Küstrin sahen wir dann die uns vertraute liebgewordene Heimat.

Die Straße führt ja fast immer neben der Bahnlinie her. Die Fahrt bis zum Vietzer Bahnhof war ein Genuss, da es keinen Autoverkehr auf der

Straße gab. Ankunft 11.30 Uhr. Im Bahnhof stellten wir unser Gepäck ein und fanden auch eine freundliche junge Frau, die gut Deutsch sprach

und uns behilflich war. Alles sah wie früher dort aus. Es gibt im Bahnhof sogar einen Automaten für die Fahrkarten nach Landsberg. (8 Zloty)

Auf der Fahrt bis Vietz stellten wir schon fest, dass alle Felder bestellt waren und vor allem, was wir nicht gewohnt sind, alles unkrautfrei. Die Kartoffelfurchen waren tief gezogen. Wir haben das gleiche Bild auf unserer gesamten Fahrt gefunden. An den Straßen standen noch die alten Obstalleen, zum Teil war man gerade bei der Kirschernte. 2 m landeinwärts neben den Bäumen waren schon wieder junge Obstbäumchen gepflanzt.

Fast kam es uns vor, als wären wir nach Vietz so wie früher zu Besuch gefahren. Alles erschien einem noch vertraut. Nur am Markt hat sich ja

einiges geändert. Aber Ruinen sind nicht zu sehen. Alles ist aufgeräumt. Oft wurden wir unterwegs angesprochen, sobald die Leute merkten,

dass wir Deutsch sprechen. Teils waren es deutsche Frauen, die nach Polen geheiratet hatten, oder Leute, die während des Krieges in

Deutschland arbeiten mussten bzw. vor dem 1. Weltkrieg in Deutschland gearbeitet haben. In einer kleinen Imbissstube am Markt aßen wir

eine Kleinigkeit. Die Verkäuferin sprach auch etwas Deutsch und einige Gäste unterhielten sich auch freundlich mit uns. So kamen wir uns in

der verlorenen Heimat doch nicht wie in der Fremde vor.

Die Kirche ist wie ehedem äußerlich geblieben. Über dem Eingang ist ein großes goldenes Kreuz angebracht. Innen sind die Seitenaltäre neu.

Aber kein Prunk, wie man es sonst in kath. Kirchen gewohnt ist. Neue Beichtstühle aus Eiche mit moderner Schnitzarbeit versehen, erinnern einen daran, dass es eben doch eine andere Kirche geworden ist.

Dann ging es zu eurem Haus, Tante Gretel. Von außen sah es durch die weißen Steine noch so schmuck wie früher aus. Aber das Haustor

war sehr verwahrlost. In eurem Laden ist ein nettes kleines Cafe eingerichtet, auch links die Stufen hoch ist ein Gastzimmer. Alles war sauber

und ordentlich. Sicher hättet ihr selbst noch eure alte Ladentafel wiedererkannt. Um alles in Ruhe betrachten zu können, tranken wir Kaffee,

den man in Polen ja aus Gläsern trinkt.

Weiter ging es zu Omas Haus. Von außen sah es ordentlich aus. Ja, der Backsteinbau der norddeutschen Landschaft hat heute den Vorzug,

dass die Häuser nach so vielen Jahren noch einen ordentlichen Eindruck hinterlassen. Die Haustür war kaputt. Im Hausflur sah es auch

schlimm aus. Hier trafen wir eigentlich auf den einzigen, sich uns gegenüber ablehnend verhaltenden Polen. Das Hinterhaus lag in Trümmern,

links der Stall ist weg. Nebenan Schröders Haus steht auch noch. Aber die alten hohen schönen Bäume stehen nicht mehr.

Dann ging es den schönen Weg zum Friedhof entlang. Unterwegs trafen wir Leute, die vom Blaubeeren pflücken kamen. Es war ein herrlich

warmer Junitag, fast zu warm. Die Haupt- und Nebenwege auf dem Friedhof sind alle in Ordnung. Die Grabstellen sind alle hoch von Bäumen, Strauchwerk und Unkraut überwachsen. Opa Lubitz Grab fanden wir leicht. Alles war von Efeu überwachsen und die Lebensbäume waren hoch gewachsen.

Zurück ging es an der Gasanstalt vorbei. Alles sah ordentlich aus. Wir fanden überall Blumen- und Grünanlagen. An manchen Bürgersteigen

waren sogar die Streifen mit schönen gepflegten Blumenrabatten bepflanzt. Wir suchten dann Tante Friedels Haus. Hatten aber doch die Lage

nicht mehr so genau in Erinnerung, so dass wir es nicht finden konnten.

Um 15 Uhr fuhren wir dann nach Landsberg, die uns so vertraute, alte Strecke. Die Bahnhöfe sahen ordentlich aus und überall waren Blumenanlagen. Der Landsberger Bahnhof ist modern gebaut. Unten Gaststätte und Aufenthaltsräume mit bequemen Sesseln. Oben ist auch ein Imbissraum,

nett eingerichtet. Die Bahnsteige noch wie früher oben. Vor dem Bahnhof steht die Straßenbahn, eine Fahrt kostet 0,50 Zl, also 10 Pfennige.

Im Hotel gleich links vom Bahnhof war alles besetzt (es wurde auch gerade renoviert), die etwas Deutsch sprechende Frau am Empfang vermittelte

uns ein Privatquartier, dicht am Bahnhof. Es kostete eine Nacht 100 Zl ohne Frühstück. Es war in einem alten großen Haus, es sah alles ziemlich verwahrlost aus. Im Zimmer waren 2 Schlafgelegenheiten. Alles ziemlich primitiv, die Waschschüssel stand auf einem Stuhl, daneben ein Eimer mit Wasser, aber keiner für das schmutzige. Aus einem alten Spiegel war ein Stück herausgebrochen, Fensterbrett und -rahmen fast ohne Farbe.

Aber für eine Nacht ging es.

Dann ging es zur Kirchstraße (Richtstraße), dort stehen überall Neubauten, auf der Straße sind überall Papierkörbe aufgestellt. Die Marienkirche

ist eine Kathedrale geworden. Sie ist immer geöffnet. Es hatte sich eine Anzahl Gläubiger zum stillen Gebet eingefunden. Von dort fuhren wir mit

der Straßenbahn auf die Höhe, merkten aber bald, dass es die falsche Richtung war und mussten zurück zur Innenstadt. Auf der Höhe waren

viele neue Häuser und Fabriken gebaut. Unbekannt war auf der Rückfahrt rechter Hand der dunkle Mischwald, wir entdeckten aber dann, unter

den hohen Bäumen, den früheren Friedhof, der also ganz verwachsen war. Hier ruht auch der Komponist Teike, der den bekannten Marsch „Alte Kameraden“ vertonte. Ich nahm an seiner Beerdigung teil.

Von der Richtstraße fuhren wir dann mit der anderen Linie weiter, um zur Heinersdorfer Str. zu kommen, um Edeltrauts Geburtshaus aufzusuchen.

Im gleichen Hause bestand noch die Bäckerei, und die Inhaberin sprach gut Deutsch. Wir erklärten ihr, dass wir gerne einmal in unsere ehemalige Wohnung geschaut hätten. Sie führte uns dann zu den jetzigen Bewohnern, die gerade die ganze Wohnung selbst vorrichteten. Sie konnten auch

etwas Deutsch, und so gab es eine aufgeschlossenen Unterhaltung. Der Mann war während des Angriffes auf Dresden dabei. Sicher als polnischer

Arbeiter. In der Wohnung sah alles sehr ordentlich aus.

Von dort aus wollten wir dann Tante Gretels Wohnung suchen. Alles hat sich aber doch in den vielen Jahren verändert, und man kann sich nicht

mehr genau an alles erinnern, wenn man zum Teil doch nur zu Besuch war. Wir sind mehrere Straßen entlang gegangen, fanden uns aber doch

nicht zurecht. Durch den Park kamen wir wieder in die Innenstadt. Von weitem hörten wir schon von der Marienkirche den Gesang der Gemeinde während der abendlichen Messe. Die Kirche war überfüllt bis an die Außentür. Wenn auch das Innere der Kirche nicht mit dem sonst gewohnten

Prunk ausgestattet ist, so ist das Innenschiff doch einfach und würdig gestaltet. Auffallend waren unter den Gläubigen eine beachtliche Zahl Jugendlicher vertreten.

Wir gingen dann noch bis zur Warthebrücke, dort herrschte gegen Abend noch reger Verkehr.

Am nächsten Morgen, 7 Uhr, fuhren wir dann mit dem Zug, ein moderner Triebwagen, nach Kreuz, und weiter nach Arnswalde. Überall waren

die Felder gut bestellt. Im Zuge ab Kreuz gab es auch wieder eine freundliche Unterhaltung. In Arnswalde wollten wir uns also mit Gertrud treffen.

Es war für uns eine besondere Freude, war sie doch der einzige Mensch in der alten Heimat, der euch alle kannte.

Auf der Fahrt von Kreuz ging es vorbei an Reierort, Augustwalde, Kleeberg. Vom Zug aus konnten wir Muttis Geburtshaus in Augustwalde sehen,

auch das kleine schöne Bahnhofsgebäude.

 

 

Augustwalde: Gaststätte Waidmannsruh mit Tanzpavillion und Gartenlokal, unten rechts der Bahnhof.

 

 

Aber der kleine Tanzpavillion hinter dem noch stehenden Gasthaus, der unmittelbar am Bahndamm zwischen den Buchen stand, hinterlässt keine

Spur, auch die Buchen sind gefällt: eine öde Leere! Ach, wie viele Erinnerungen verbinden mich mit dieser kleinen, in so romantischer Umgebung gelegenen Vergnügungsstätte, wohin sich allsonntäglich die Vereine aus Arnswalde begaben, um sich beim Tanz, beim gemütlichen Schoppen oder zwischendurch bei einem Spaziergang in dem einzig schönen Misch-, Tannen- oder Kiefernwald in der Stille der Natur zu erholen. Auch der nahe Buchsee inmitten des Waldes, umgeben von blühendem Schilf und Rohr. Davor der weiße Streifen der Seerosen, und das Ohr konnte den

Gesängen der vielartigen Vogelwelt lauschen. Wir Schwestern und Brüder erlebten damals nach arbeitsreicher Woche an solchen Sonntagen

Stunden reiner Lebensfreude. Unvergesslich für mich ein Sonntagnachmittag. Grete und Liesbeth auf dem Weg über Augustenruh, in der rechten

Hand den hellen Sonnenschirm aufgespannt tragend, am Arm die Handtasche hängend und die linke Hand hebt das weiße, bis auf die Fußspitzen reichende Tanzkleid – ganz anders wie heute – an, damit es nicht beim Gehen hindert und fein säuberlich bleibt. Aber der Zug fährt weiter, das alte Bahnwärterhäuschen am Waldrand stand noch. Sogleich konnte ich Edeltraud schon die hochgewachsenen Parkbäume unseres Pottberges,

unseres Seebergs, unserer Heimat, zeigen, die über die Berge ragten, in 23 Jahren erheblich gewachsen. Dann erblickten wir Hitzdorf, die

Windmühle stand noch, deren Mühlsteine auch für uns einst so manches Roggen- und Weizenkorn, das wir nach mühseliger Arbeit durch Pflug,

Sense und Drescher ernteten, mahlte. Vor dem langen Dorf sehen wir Meyer's See, in dem wie einst die Unzahl der zierlichen Seerosen prangte.

 

 

Seerosen auf Meyers See (Boviser See).

 

 

Das alte Gasthaus in Kleeberg, wohin wir früher oft mit Hackers im Kutschwagen zum Tanzvergnügen fuhren, stand nicht mehr. Auch vermisste

ich die Schuppen an der Verladestelle, wo wir stets unser Getreide ablieferten. Das Gut war noch erhalten.

Um 10 Uhr trafen wir dann mit Gertrud zusammen. Wir nahmen wieder ein Taxi. Es war ein freundlicher und höflicher Fahrer, dem keine

unwegsame Strecke zu viel war. Gertrud spricht gut polnisch und so ging mit ihrer Hilfe alles leichter. Die Straße nach Neuwedell ist tadellos

in Ordnung, wie überhaupt alle Hauptverkehrsstraßen.

Wir unternahmen erst einen Abstecher nach Helpe, dem einzig schönen von Seen, Wald und Höhen umgebenen Dorf, wo Paul und Marie

geboren wurden. Schule, Kirche und Gutshaus sind teilweise zerstört. Wo unser Haus stand, ist ein Feldsteinhaus erbaut worden mit

anschließenden Wirtschaftsgebäuden. Der Park war stark verwildert, wie auch die nähere Umgebung. Das rechte Backsteingebäude und

Ställe waren noch gut erhalten. Auf dem großen Hof vermisste ich die frühere Sauberkeit. Webers Hof – ich glaube so hieß der Landwirt –

war noch gut erhalten, sonst im Dorf keine Ordnung. Der kleine Teich, in dem wir früher noch baden konnten, ist völlig zugewachsen. Die alten Walnussbäume bis zum Kreuzweg stehen nicht mehr. Auf der Rückfahrt noch ein kurzer Blick auf den Waldsee, wo wir oft badeten, an dem

sommers die Kinderspiele (Sacklaufen usw.) abgehalten wurden. Auch habe ich gut ein Fischen unter dem Eise in Erinnerung, wobei ich noch

Frau von Meyer mit ihrem Pelzmuff lachend sehe, sie war immer freundlich. Wie verliebt waren wir in dies selten schöne Erdenfleckchen,

wo wir alle, außer Schwester Hanna, unserer Kindheit sorgenlose Tage in schöner Harmonie verlebten.

 

 

 

Villa der Landratsfamilie von Meyer in Helpe.

 

 

In schneller Fahrt durch den prächtig entwickelten, nach dem vielen Regen in vollem Grün prangenden Wald, kamen wir bald nach Neuwedell. Arnswalde und Neuwedell haben durch die Kriegsereignisse doch sehr gelitten. Teils waren noch die Ruinen zu sehen, teils war alles aufgeräumt.

Die Häuser am Markt und an der Kirche fehlten, sonst war alles erhalten. Vergeblich suchten Gertrud und ich Tante Goerlings und

Tante Hannas Haus. Ihr habt gewiss alles besser in Erinnerung und hättet gleich alles gefunden.

Vor der Brücke, die die beiden Seen trennt, machte der Taxifahrer von sich aus Halt und wies uns auf den reizvollen Blick über den See,

rund von Schilf und Wald umgeben. Hier schoss doch Onkel Fritz viele Enten und brachte so manchen Bock oder öfters auch mal eine Wildsau

zur Strecke, wobei ihn oft Tante Hanna und Marie-Elisabeth begleiteten oder beobachteten, bei diesem schönen, na heute würde man sagen

Hobby. Auch mir drückte Onkel Fritz mal die Knarre, so nannten wir auch früher die Jagdflinte, in die Hand, und ich hatte das Glück, waidgerecht

einen Hasen zu erlegen.

Das Auto brachte uns dann nach Wiesenthal. Das erste waren unsere Aufnahmen, dann tauchten Menschen auf und im Nu war alles um uns versammelt. Gertrud vermittelte. Alle waren gleich sehr freundlich und offen zu uns. Es wohnen 2 Familien im Hause, die auch geteilt wirtschaften.

Ein jüngerer Mann sprach deutsch, seine Schwester war gerade zu Besuch da und ist also das Mädchen, welches für Tante Liesbeth immer die Blaubeeren gebracht hat. Wir schrieben euch das ja schon kurz. Die Scheune war abgebrannt, ist aber wieder aufgebaut. Die Gebäude sind

soweit gut erhalten, auch die Felder gut bestellt, prächtiger Wuchs. Gewiss sah es im und ums Haus nicht mehr so wie zu eurer Zeit aus. Es

gab dann herzlichen Abschied. Als wir vom Weg auf die Straße fuhren, musste der Fahrer noch mal zurückstoßen und geriet mit dem Hinterrad

in den Graben. Alleine kamen wir da nicht heraus. Also musste ich nochmal zurück und auf dem Hof Bescheid sagen. Alle Mann kamen und

halfen bereitwilligst. So verließen wir Wiesenthal mit recht guten Eindrücken.

Nach Seeberg fuhren wir der besseren Straßen wegen über Arnswalde, Radun, Sellnow, Plagow. In Sellnow und Plagow ist nichts zerstört.

Nur die Schule in Plagow lag in Trümmern, auch das Gasthaus. Auf dem Weg von Plagow nach Hitzdorf waren schon Vorarbeiten zum

Verbreitern der Straße getroffen, deshalb musste der Fahrer langsam fahren, da alles sehr holprig war. Bei uns wäre ein Taxifahrer bestimmt

nicht weiter gefahren. Kieselbachs Fichten standen noch alle. Nun kam die erste schwere Enttäuschung unserer Heimatreise. Schon von

Steinbergs Gehöft an stellten wir fest, dass alle Gründe versumpft und verschilft waren, also die gesamten kilometerlangen Dränagen waren

alle verstopft, die Papa und wir mit so unendlich viel Mühe in den vielen Jahren gelegt oder gereinigt hatten und alsdann die vielen Gründe mit Spitzhacke und Pflug urbar und so ertragreich gemacht hatten. Die Kirschallee zum Gehöft war verwachsen, so dass das Auto kaum durch kam.

Die alten Bäume stehen alle noch. Als wir im Hof ausstiegen, waren wir alle entsetzt.

 

 

 

Das Wohnhaus von Seeberg.

 

 

Putz vom Haus zum großen Teil abgefallen, der Kellereingang völlig zerfallen, Schutt nicht weggeräumt, muss also dann herein regnen.

Die schönen prächtigen Linden im Hof waren bis auf eine weg. Vorm Haus bis zur Pumpe zwei Gemüsegärten mit Latten umzäunt. Wasser

wird mit Winde hochgeholt. Steinscheune steht leer, viele Dachziegel ausgebrochen, auch der Schaftstall steht leer, wie die Aufnahme zeigt,

ist die Wand angebrochen. Holzschuppen zwischen Stall und Haus zerfallen. Keine Gardinen an den Fenstern. Die Fenster im großen Zimmer

nach dem Garten sind zugenagelt. Der Fischteich mit der Steingrotte und der gesamte Ziergarten mit den Sträuchern sind beseitigt, auch dort

ist ein eingezäunter Gemüsegarten, aber wenig gepflegt, angelegt. Im Hintergarten kein Obstbaum, nur Grünfläche. Die Buche, die unsere Laube überdachte, ist mächtig hoch gewachsen. Die Naturhecke ist entfernt, nur am Weg stehen noch einige hochgeschossenen Heckenbuchen.

Dort wo die Walnussbäume den Garten füllten, wuchert hoher Flieder, eine wilde Hecke. Alle Wege auf dem Pottberg sind wild verwachsen,

doch der schöne Baumbestand ist nicht abgeholzt. Die Lärchen, Buchen, Birken und Akazien bilden jetzt einen schönen Naturpark. Dort wo Paul

und Grete, also vor dem Backofen, der einen grasbewachsenen Hügel bildet, einen ertragreichen Gemüsegarten angelegt hatten, ist das Land verwildert, auch noch die Umgebung. Die Wiesen rechts vom Arbeiterhaus, das völlig beseitigt ist, sind auch alle versumpft und stehen unter

Wasser, offenbar ist der Graben nach dem Klön verschüttet. Auf der Wiese vor dem Klön-See weideten einige Rinder ohne Aufsicht. Der Taxifahrer

sagte, wie kann der Staat nur solchen Menschen eine Wirtschaft geben, die alles verkommen lassen. Offenbar wird ein großer Teil von Seeberg

vom Gut in Raakow (staatl.) bestellt. Wir sahen nur Raps und Roggen.

Es ist eine Tragik in unserer Familiengeschichte. Von 1896 bis 1945 hatten wir alle durch unendlich viele Arbeit, Opfer und Entbehrung unser

schönes Seeberg, unsere teure Heimat, geschaffen. Und sommers kamen fast jeden Sonntag Verwandte und Bekannte zu Besuch, sie fühlten

sich alle so wohl bei uns. Es waren die großen und gemütlich eingerichteten Zimmer, der stets gepflegte Garten mit seinen vielen Ziersträuchern,

dem Fischteich, der Steingrotte, der Naturlaube, die mannshohe Schnitterin mit ihrem Ährenbund unterm Arm. Es war auch der Pottberg mit

seinen vielen und sauber gehaltenen Wegen, es war die Fernsicht von dieser Anhöhe weit in die reizvolle Umgebung, aber es waren auch

unsere gute Hausmacherwurst und der immer selbstgebackene, so gut schmeckende Kuchen, ja es war vieles, vieles, was liebe Menschen

so gerne nach unserem reizvollen, fast völlig zerfallenen Seeberg zog.

 

 

 

Pottberg

 

 

Nach dieser schweren Enttäuschung brachte uns die Taxe nach Richardshof. Gleich hinter Seeberg war der Weg kaum befahrbar. Der Schafwaschpfuhl, in dem wir Plötzen züchteten, lag noch idyllisch mit den alten Wildrosen und den Weiden am Weg. Der Raps war manneshoch,

wir nahmen an, vom Gut in Raakow bestellt. Wir hielten an, um den schönen Rückblick nach Seeberg zu genießen und den Klön-See zu betrachten,

der mit seinen hohen und baumbestandenen Ufern und den dahinter liegenden Anhöhen die Landschaft romantisch gestaltet. 2 Aufnahmen habt

ihr ja davon.

In Richardshof war nichts wesentlich verändert. Links der Entenpfuhl, rechts das Erlengebüsch. Am Hofeingang ein Mast mit elektrischen

Leitungen, darauf das Storchennest. Gebäude alle gut erhalten. Nur außerhalb des Hofes waren die kleineren Gebäude zum Teil verfallen.

Der Kuhstall wird benutzt, die Scheune ebenfalls, es fuhr gerade ein Wagen mit Heu hinein. Der Kuhstall, den Hans 1924 so modern bauen ließ,

war wohl Anlass, dass Richardshof dem staatlich verwalteten Gut in Raakow angeschlossen wurde und hier Milchwirtschaft betrieben wird.

Der Garten sah verwildert aus, auch auf dem Hof keine Ordnung. Das Wohnhaus war ganz leer. Ein Maler war mit dem Vorrichten beschäftigt.

Er sprach auch etwas Deutsch. Neben dem Garten stand ein kleines Steinhaus, was meiner Meinung nach früher nicht bestand. Wenn auch der Zustand auf dem Hof und um das Gehöft nicht besonders gut war, so waren doch die Gebäude in ihrer alten Schönheit erhalten, so dass uns

hier nicht das innere Weh wie in Seeberg ergriff.

 

 

 

Richardshof

 

 

Dann fuhren wir nach Raakow, wo es selbst auch nicht so ordentlich aussah.

Nun kam der Höhepunkt unserer Heimatreise, der auch Anlass war, unsere Heimat noch einmal zu besuchen: in stillem und dankbarem Gedenken

vor die Ruhestätte unserer teuren Eltern und unseres lieben Schwesterleins Hedwig treten zu können. Unsere Ehrfurcht wurde nicht dadurch gestört, dass die Gräber von hohem Gras umgeben, alle im Schatten der hochgewachsenen Bäume und Tannen naturhaft liegen, und nur Gitter oder Gedenksteine die Gräber erkennen lassen. In dem Urwald fanden wir Hedwigs Grab nicht, weil das Engelchen aus Marmor fehlte. Aber die verschiedenen polnischen Gräber waren auch nicht gepflegt, nur die Holzkreuze sind mit einem einheitlichen Metallkranz behängt.

Mit dem Abschied von unseren teuren Entschlafenen war unsere eigentliche Heimatreise beendet.

Über Kranzin brachte uns das Auto dann nach Arnswalde. Da Gertrud gleich um 15 Uhr Anschluss nach Hause hatte, ging die Verabschiedung dann sehr schnell. Wir konnten erst 20 Uhr unsere Heimreise über Bernstein, Berlinchen, Soldin, Küstrin nach Reppen antreten. Wir hatten in Arnswalde nun noch etwas Zeit, um es in Ruhe zu betrachten. Es ist durch den Krieg sehr viel zerstört worden, zum Teil ist alles eingeebnet, zum Teil Neubauten. Die Kirchenruine steht noch. Die Bäume am See sind alle hoch gewachsen. Auf dem See sahen wir einige Segel- und Ruderboote, die man wohl stundenweise leihen kann. Die Promenade um den See besteht noch.

 

 

 

   

Plagow mit Kössin-See.

 

Helpe - Dorfansichten.

 

 

 

   

Neuwedell

 

Radun

 

 

 

   

Arnswalde - Promenade am Klückensee.

 

Arnswalde - die zerstörte Marienkirche.

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