Margarete Schulz, Berlin 2002
Was ich noch von den Kleebergern gehört habe!
Am 28. Januar 1945 kam ein Leerzug auf dem Bahnhof Kleeberg an, den Menschen wurde gesagt, es wäre der letzte Zug, der sie vor den Russen in Sicherheit bringt, sie sollten so schnell wie möglich einsteigen.
Irmchen Brecht berichtet mir, dass Mutter zwei Säcke füllte, einen mit Betten und einen mit Lebensmitteln. Sie wollte gern ihren Hund mitnehmen, der Vater sagte, es wäre besser, er bleibt da, sie kämen sicher bald wieder zurück.
Gisela Worseg hat ihren Hund mitgenommen, ihn aber in Luckenwalde verschenkt, das Essen reichte eben nur für die Menschen.
Der Zug brachte sie bis Luckenwalde, dort bekamen sie Unterkunft und Verpflegung. Sie haben so den Beschuss mit dem Panzerzug nicht erlebt, aber die Grausamkeiten der Russen später in Luckenwalde auch erfahren.
Die Familie Carmosin kam auch dort hin, auch Familie Worseg.
Bei einigen kamen die Väter zurück und die Familien blieben in Luckenwalde.
Es gab am 28. Januar 1945 noch einen zweiten Zug, der über die Oder Richtung Anklam fuhr. Da stieg Familie Klems ein und auch Familie Frank von der Post.
Familie Klems ist bis Wolgast geflohen und später wieder nach Arnswalde zurück gekommen, Juli 1945 nach Hitzdorf, sie wohnten in Mörkes Arbeiterwohnung. Karl kann sich gut erinnern. Vater, Helma und Karl haben in Kleeberg auf dem Gut gearbeitet. Karl hat Kühe und Pferde gehütet. Horst war da schon tot. Im November 1945 sind sie wieder geflohen bis Eberswalde in ein Lager. Im Februar 1946 ist der Vater an Krebs gestorben. Frau Klems hatte einen Cousin in Bad Doberan, dem die Ehefrau verstorben war, dort zogen sie hin. Frau Klems ging dann nach Westdeutschland mit den Töchtern Helma und Beate. Nach Nienburg/Weser, da ist sie auch 1984 verstorben.
Karl blieb in Bad Doberan, machte in Rostock eine Lehre und gründete dort seine Familie.
Von Hitzdorf flohen mit diesem Zug Familie Hacker, Frau Höhn und Gisela, die Familien Emil Wolf und Karl Hildebrandt und alle, die es rechtzeitig geschafft haben. Meta Wilke war am Zug und sagte, sie sollten alle wieder aussteigen, der Russe ist schon da. Sie dorhte mit Meldung an die Polizei. Die Kleeberger haben es glücklicher Weise nicht getan. Nur einige Hitzdorfer von der Siedlung. Erlebt haben aber alle viel Schreckliches, ehe sie eine Bleibe gefunden hatten.
Die Familie Lehre mit Tochter Ilse ist erst mit Pferd und Wagen geflohen und später mit dem Zug. Sie kamen in die Nähe von Hagen, haben da einen kleinen Hof gekauft und noch einmal von vorn angefangen. Die Eltern und Ilse sind dort auch verstorben. Tochter Lieselotte hatte mit ihrem Sohn eine Geflügelfarm, sie hat nicht geheiratet und ist jetzt Rentnerin.
Familie Karl Radde, Schmied, kam auch nach Luckenwalde. Der Vater kam zurück, war Pförtner in der Tuchfabrik, verstarb 1989, die Mutter verstarb 1990. Bruder Siegfried ist 1984 verstorben, Ursula (geb. 1936) ist verheiratet in Butzow bei Brandenburg.
Irmgard Pälchen floh mit ihrer Mutter nach Mecklenburg, lebt nach dem Tod ihres Mannes und der Mutter in Gera bei der Tochter.
Irmgard Kozma lebt in Oranienburg, Hannelore Schmidt und Friedhelm Dunker in Luckenwalde, Werner Dunker in Berlin.
Familie Otto Mörke floh aus Kleeberg nach Hitzdorf zur Familie Quade (Schwester) und ist mit nach Reierort geflohen und später nach Neubrandenburg. Hans war in diesem Jahr, Juni 2002, mit mir und Irmchen Dräger nochmal in Kleeberg und Hitzdorf, er war sehr krank. Heute, am 15. Oktober 2002, bekam ich seine Todesanzeige, er ist am 11.10.2002 verstorben, hatte sich gefreut, dass er diese Fahrt noch mitgemacht hat.
Die Familien Brecht und Schmidt wohnten im Haus an der Bahn, das Haus ist jetzt auch bewohnt von Polen. Brechts waren auch in Luckenwalde, Walter wurde als Soldat in Frankfurt/Main entlassen und hat da geheiratet. Zu dieser Hochzeit fuhr Irmchen und blieb dort, als auch sie heiratete, kamen die Eltern nach und die Familie war wieder zusammen.
Erwin wurde in Süddeutschland vom Militär entlassen, hat da seine Familie gegründet, ist leider schon verstorben.
Familie Schmidt hatte bei Luckenwalde einen kleinen Hof. Eltern verstorben, Hans-Joachim wohnt in Uetze bei Hannover.
Familie Buchwaldt kam auch nach Luckenwalde, hatte Verwandte bei Berlin, Hans-Georg ging bald nach Westdeutschland, hat sich dort eine Firma aufgebaut, ist jetzt Rentner. Dorchen wohnt in Potsdam.
Familie Krämer ist mit Frau Geyer und Kindern mit dem Schlitten und später mit dem Wagen nach Stettin und weiter bis Lübeck geflohen. Otto Geyer war Soldat, ist vermisst. Die Eltern sind verstorben, die Kinder leben alle bei Lübeck.
Familie Baumann wohnte bei Kramp, ist mit dem Zug geflohen, Enkel Hartmut Gehrke, sein Vater Erich ist gefallen, fährt oft mal in seine alte Heimat. Er hat zwar wenig Erinnerungen, war erst 4 Jahre alt, ich gebe ihm Hilfestellung. Kannte seine Tante Emmi, mit der ich in die Schule ging.
Familie Brüske ist vor 1945 aus Kleeberg verzogen. Vater war Bahnbeamter, mit dem Zug geflohen. Berichtet die jüngste Tochter Inge, Wittenberge. Die Eltern haben überlebt und bei Gerda Balk in Nebelin oft in der Kartoffelernte geholfen. Tochter Johanna verstorben 1987, war verheiratet. Sohn Werner wohnte in Dortmund, ist 1979 verstorben.
Von Familie Winter leben wohl noch die Kinder?
In dem Bericht von Frau Frank steht, dass Hildegard Schröder in Neubrandenburg gewohnt hat. Rudolf Tabbert hatte Irmgard Pälchen noch gefunden, er hat in Heilbronn gewohnt, ist da im Jahr 2000 verstorben, laut Personenliste im Rundbrief.
Familie Nareika kam bis Anklam, die Enkelin war mit uns 1999 in Hitzdorf mit dem Bus, wollte sehen, wo ihre Mutter gewohnt hat. Trude und Bruno Nareika und die Großeltern Nareika sind verstorben.
Mit Bruno Beier habe ich telefoniert, er wohnt in Wetzenow, ist sehr krank, seine Familie pflegt ihn.
Von der Familie Baumgart habe ich leider nichts gehört.
Ich denke, dass ich einiges geklärt habe.
Margarete Schulz, Berlin 2004
Inzwischen habe ich erfahren, dass der erste Flüchtlingszug schon am 26. Januar 1945 in Kleeberg beladen wurde. Es war der Zug, in dem die Familie Brecht war. Dorchen Buchwaldt und Friedhelm Dunker können sich erinnern, dass der Zug über Berlin fuhr, hier haben sie den ersten Fliegeralarm erlebt. Der Zug fuhr dann nach Luckenwalde, in der Stadt war sehr viel Industrie angesiedelt, wahrscheinlich war es so geplant, dass die Frauen dort arbeiten sollten. Es gab 2 Hutfabriken, Tuchwebereien, Elektroindustrie, für Möbel-Zubehör, Griffe aller Art. Hannelore Schmidt kann sich an die vielen Schornsteine der Fabriken erinnern.
Es gab im Umkreis von Luckenwalde Gefangenenlager, Russen, Franzosen und auch deutsche Lazarette.
Um einen August Schöning aus Hitzdorf auf dem Waldfriedhof zu finden, sind mein Mann und ich im Oktober 2003 nach Luckenwalde gefahren, ohne Erfolg. Es gibt dort Messingplatten in die Erde eingelassen mit Namen vieler Soldaten, gut zu lesen. Gleichzeitig waren wir auch auf dem Stallag-Friedhof für Ausländer. Die Franzosen haben ihre Toten schon umgebettet, die Kriegsgräberfürsorge kümmert sich um beide Friedhöfe. Wir waren dann im Stadtmuseum und haben diese Informationen von zwei Angestellten aus Luckenwalde bekommen, wir konnten uns anhand der Bilder einen Eindruck verschaffen.
Nach dem Krieg hat die DDR diese Fabriken weitergeführt, als die Väter der meisten Kleeberger nach Hause entlassen wurden, bekamen sie auch Arbeit. Nach der Wende änderte sich dann nach und nach alles.
Jetzt hat Luckenwalde viele Arbeitslose, wie in vielen Orten, ist aber eine hübsche Kleinstadt. Die Maschinen der Tuchwerke hat ein Türke gekauft, dort weben sie noch. Soweit zu Luckenwalde.
Dass der zweite Flüchtlingszug am 28. Januar abfuhr, habe ich schon erwähnt. Von Fritz Rehwinkel erfuhr ich jetzt, dass der Panzerzug am 2. Februar noch auf der Bahnlinie stand, als es zum Kampf kam, traf eine Granate ihr Haus. Sie wohnten Hitzdorf-Abbau, an der Straße Kleeberg-Raakow. Sie sind dann nach Hitzdorf geflohen.
Auch Familie Nareika hat in Hitzdorf die Flucht nach Reierort und zurück erlebt, ist später mit Paul Lubitz und Tochter Ursula geflohen, bis Berlin. Danach trennten sich ihre Wege. Familie Lubitz hatte Verwandte in Westdeutschland und bekam den Zuzug nach Wermelskirchen, durch das Rote Kreuz fanden sie Helmut wieder, der leider im Jahr 2000 verstorben ist. Gertrud Nareika blieb im Krankenhaus Berlin-Buch und ist da 1946 verstorben. Familie Nareika fuhr wieder nach Anklam zurück, sie haben dort eine Bleibe gefunden. Enkeltochter Eva, die Tochter von Gertrud ist da verheiratet. Bruno Nareika fand dort die Familie, hat geheiratet, ist inzwischen verstorben, auch die Eltern sind tot.
Die Familie Baumann wohnte auch an der Straße nach Raakow, sie sind mit dem Zug von Kleeberg abgefahren. Die Eltern und alle Kinder sind verstorben, Angaben von Enkelsohn Hartmut Gehrke. Emmi ist an Krebs verstorben.
Heute, am 2. März 2004, hatte ich wieder ein Erfolgserlebnis. Nach einigen Telefonaten habe ich mit der Tochter von Hildegard Zunker geb. Schröder (Vater war Bahnvorsteher aus Kleeberg, erschossen am 31.01.1945) gesprochen. Christel Meurer geb. Zunker ist 1944 in Arnswalde geboren, die Mutter war in Kleeberg bei den Eltern zu Besuch, als die Geburt einsetzte. Sie wohnten zu der Zeit schon in Neubrandenburg, der Vater war Soldat, nach der Geburt sind sie 1945 wieder nach Neubrandenburg zurück. Die Familie Zunker ist 1958 in den Westen gegangen.
Frau Frank hat in ihrem Fluchtbericht den Namen Fritz erwähnt, Herr Zunker hieß aber Willi und ist 1998 in Frankfurt/Main verstorben. Er war sicher auch mal zum Treffen in Wunstorf, denn da ist seine Anschrift im Hitzdorfer Namensverzeichnis nachzulesen. Seine Ehefrau Hildegard wird von der Tochter Christel betreut, sie lebt in einem Pflegeheim, kann sich an nichts erinnern. So ist wieder ein Kleeberger Schicksal geklärt. Mit dem Namen Zunker hat mir Irmgard Koth geb. Pälchen weitergeholfen.
Else Schröder ist von Neubrandenburg vor dem Mauerbau noch nach Frankfurt/Main zur Tochter gezogen und dort 1972 verstorben.
Am 20. März habe ich auch endlich etwas von der Familie Baumgart aus Kleeberg gehört.
Tochter Käthe, geb. 1935 in Kleeberg, hat mir von der Familie erzählt. Mehr erfahre ich von der Schwester Erna. Sie waren 15 Kinder von den Eltern Edmund und Käthe Baumgart. Edith, mit der ich zur Schule ging, ist tot. Auch die Brüder Werner und Karl-Heinz sind tot. Günther wohnt in Hagen, wir haben telefoniert. 1944 wurde Herr Baumgart von der Bahn versetzt auf die westliche Seite der Oder bei Frankfurt, mit der Familie. Bis dahin waren 9 Kinder geboren.
Edith, geb. 30.11.1928, verh., 1973 verst. 2 Söhne, 2 Töchter. Karl-Heinz geb. 28.12.1929, verh., verst., 2 Söhne. Günther, geb. 08.12.1930, verh. 1 Sohn, lebt in Hagen. Werner, geb. 23.02.1932, ledig, 1956 tödlich verunglückt. Erna, geb. 17.05.1933, verh. Scheyder, 3 Töchter. Käthe, geb. 29.03.1935, verh. Schönwälder, keine Kinder. Herbert, geb. 1937, 1 Sohn, Schwalmstadt. Anneliese, geb. 1940, 1 Sohn, Schwalmstadt. Helga, geb. 1943, 1 Tochter, Romrod. Kurt, geb. 1944, 1 Sohn, 2 Töchter, Schwalmstadt.
Gerda geb. Mai 1945, Hans geb. 1946, Manfred geb. 1949, Ilse geb. 1950, Elli geb.1952.
Auf dem Klassenbild von 1940 sind die 3 ältesten Jungen und Edith abgebildet.
Vater Edmund Baumgart, geb. 1905, hat nach dem Krieg noch bei der Bahn gearbeitet, er ist 1967 verstorben. Mutter Käthe geb. 1908, geb. Scheuer, ist 1998 verstorben, von den 15 Kindern leben noch 12 Kinder.