Reise von Anklam nach Hitzdorf – 18.06.2005
Am 18. Juni 2005 war die Fahrt nach Arnswalde von Anklam aus mit drei Bussen und noch einem Kleinbus mit 16 Personen angesagt. Herr Schukat fuhr mit dem Proviantbus voraus. In Linken an der Grenze wurden die Ausweise kontrolliert und nach einer kurzen Pause ging die Fahrt weiter. Es war meine achte Fahrt in Richtung Heimat, und ich finde es immer wieder schön, wie uns die Natur mit dem Grün der Felder und Wälder begrüßt. Nach der Ankunft in Arnswalde konnten wir uns an leckeren Schmalzstullen und mit Kaffee stärken für die Fahrt in die Heimatorte. Ein Bus fuhr nach Reetz, ein zweiter nach Neuwedell. Mit dem dritten, den Herr Schnabel begleitete, fuhren wir über Kranzin und Kleeberg nach Hitzdorf zur Ziegelei. Dort stiegen wir aus, 9 Personen. Hier wohnt noch eine frühere Schulfreundin, Irene Meier, geb. 1933, sie spricht noch Deutsch. Wir bringen ihr immer etwas mit, auch ihrer Schwester Elli Meier, geb. 1931, die auf der Hitzdorfer Siedlung wohnt und uns durch das Dorf begleitet. Inzwischen sind wir im Dorf bekannt, wir haben viel fotografiert. Bei ehemals Schröder können wir die Toilette benutzen und auch an den See gehen. Der Enkel Erhardt Schülke aus Velbert ist zu unserer Fahrt immer bei Anneliese Gawlak in Wardin zu Besuch. Er freut sich jedes Mal auf unseren gemeinsamen Gang durch das Dorf. Irmgard Dräger/Rusch hatte ihre beiden Töchter mit, auch die Tochter von Irmgard Höhn/Sombrowski war mit. Allen hat es gut gefallen, die Heimat der Mütter einmal selbst zu sehen. Wir gehen immer kurz auf den Friedhof, obwohl kein deutsches Grab mehr vorhanden ist. Der Acker, auf dem der polnische Friedhof angelegt ist, gehörte einmal meiner Familie, ich habe dort unsere Gänse gehütet. Es war wohl Kirchenland, mein Vater war Kirchendiener. An der kleinen Schule wird immer noch umgebaut, es fehlt wohl das Geld. Dann kam ein deutsches Auto, dem Herbert Wilke mit seiner Frau und Sohn entstiegen, er ist 1943 in Hitzdorf geboren, Emmas Sohn. Er hatte von der Fahrt gehört und ging mit Anneliese Gawlak als Dolmetscherin auf seinen Hof, den ein Pole, der Jäger ist, bewirtschaftet. Herbert ist auch Jäger und wurde zur Jagd eingeladen. Wir wollten auch die Kirche besuchen, aber die Frau mit dem Schlüssel war nicht da. Elli erzählte, der Pfarrer habe gesagt, in der Kirche werde alles neu gestrichen und die Außenwände werden neu verfugt. Die Glocken wären entzwei, es handelt sich aber wohl um den Glockenstuhl. Dabei fällt mir ein, dass wir die Glocken noch nie läuten gehört haben, obwohl wir immer samstags dort waren. Allerdings sind in Polen samstags Hochzeiten. Wir waren bis ans Ende des Dorfes gelangt, da kam unser Bus, die drei Stunden waren um. Wir fuhren noch nach Raakow auf den Friedhof, wo meine Großeltern Herder begraben wurden, auch die Großeltern Böttcher von Frau Irmgard Höhn. Da fanden wir einige Grabumrandungen, aber keine Namen. Als Kind bin ich mit dem Fahrrad am Totensonntag hingefahren und habe die Gräber mit Tanne belegt. Wir sahen uns noch den Plagower Stein an und fuhren über Sellnow nach Arnswalde zurück. Es gab schönen Pflaumenkuchen und Kaffee, und wir machten noch einen Spaziergang über den Marktplatz und den Wilhelmsplatz bis zum Friedhof. Hier wurde ein Blumengebinde am Gedenkstein niedergelegt in einer Andacht, die Pastor Hecker aus Ziethen bei Anklam hielt. An ihr nahmen fast alle von uns teil. Um 17.15 Uhr fuhren die Busse wieder nach Anklam zurück. Das Wetter hatte sich gut gehalten. Es fiel mir auf, dass alle Felder bestellt waren. Das Korn steht gut, die Kartoffeln und Runkeln sind ohne Unkraut. Es sollte uns eigentlich gar nicht mehr interessieren, aber man freut sich, wenn die Felder und Dörfer nicht verkommen.
Zur Familie Meier möchte ich noch etwas anfügen. Vater Wilhelm Meier, geb. 1903, arbeitete und wohnte mit Ehefrau Gertrud, geb. 1897, in der Arbeiterwohnung bei Bauer Helmut Meyer. Herr W. Meier wurde Soldat, er überlebte, war nach 1945 fünf Mal in Hitzdorf bei der Familie, wollte aber nicht Polnisch lernen (so Tochter Elli) und ist später in Thüringen verstorben. Familie Meier hatte ca. 8 Kinder. Alfred, geb. 1930, war etwas behindert, ging aber mit uns in die Schule. Frau Sauermann aus Hitzdorf kümmerte sich um ihn, er wohnte bei ihr. Er verstarb 1949 in Hitzdorf, sein Grab wird von seiner Schwester Elli auf dem polnischen Friedhof gepflegt. Alle ehemaligen Hitzdorfer wurden von Elli erkannt, sie weiß heute noch, wer in welchem Haus wohnte. Bei meinen Nachforschungen über Hitzdorf war sie mir eine große Hilfe, obwohl wir uns seit 1999 nur einmal im Jahr trafen. Sie wusste, dass meine Mutter tot war und fragte nach meinem Vater und Bruder. Sie lebt in ärmlichen Verhältnissen, war nicht verheiratet, musste gleich nach dem Krieg hart arbeiten und der Mutter helfen, die Geschwister zu ernähren. Die Russen wollten sie zur Ausreise überreden, sie weigerte sich, weil die Kinder sonst erfroren wären. Sie konnte Polnisch, die Kinder lernten es. Elli arbeitete als Zugabfertigerin bei der Eisenbahn. Aus gesundheitlichen Gründen hat man sie entlassen, sie hatte fast 40 Jahre gearbeitet, in Polen muss man auch bis zum 60. Lebensjahr arbeiten. Sie hat jetzt 660 Zloty Rente, auch Irene bekommt nur 650 Zloty Rente (das sind auf Euro umgerechnet nur rund 160 Euro!). Elli hatte, als sie noch arbeitete, Freifahrten bei der Bahn, auch in Deutschland. Sie hat Frau Hacker in Hamburg besucht, war bei Frau Beckmann und Frau Grams in Schwerin, überall für ein paar Wochen. Sie sammelt Blaubeeren und Pilze in unseren Bauernfichten und verkauft sie. An Herrn Meier kann ich mich erinnern. Wenn er als Soldat auf Urlaub war, hat er auch bei uns in der Ernte geholfen. Es gab dann meistens Erbseneintopf mit Spitzbeinen, die er gern abknabberte. Mein Vater hatte immer seinen Spaß daran, ihn zu fragen, was sein Vorgesetzter zu ihm sagte: die ganze Kompanie war angetreten, er war bei der Marine, musste vortreten und sagen: An mir hat die Marine-Artillerie einen guten Fang gemacht. Darauf war er stolz, und alle haben gelacht.
Die Schwestern in Hitzdorf werden auch immer von Werner Drews besucht, sie bekommen viel Kleidung und verkaufen davon auch manches. Elli ist ein bisschen schmuddelig und darum bei den Polen nicht gern gesehen, sie genießt es aber besonders, mit uns durch Hitzdorf zu gehen. Beide Schwestern leiden an der Parkinson-Krankheit, Irene nimmt Tabletten, zittert trotzdem sehr. Elli trinkt gern mal Alkohol, zittert auch. Mir tun sie beide leid, wir haben schließlich dasselbe Schicksal.
Margarete Schulz (geb. Herder aus Hitzdorf)
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Die Reisegruppe 2005 am Wegweiser vor der neuen Schule,
mit Blick über Meyer's See bis hin zu den Bauernfichten. Herbert Wilke ist mit Frau und Sohn mit dem PKW gekommen und hat die Gruppe in Hitzdorf getroffen. | | 18. Juni 2005 - Dorfstraße, links Simnick und Gustav Kraft, rechts Luhm. |
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Arnswalde - Juni 2005.
Wolfgang Krüger aus Kranzin, Margarete Schulz/Herder und Irmgard Rusch/Dräger.
Sie sind zusammen mit Wolfgang Krüger (geb. 26.02.1931) zum Konfirmandenunterricht gegangen.
Seine Ehefrau stammt aus Arnswalde, seine Schwiegereltern leben noch dort. | | Auf dem Friedhof in Plagow - 2005.
V. l.: Rita Weiß, Irmgard Rusch/Dräger, Christel Knöpke, ?, Margarete Schulz/Herder, ?, Herr Schnabel, Eva Kumm, ?, Gerhard Steindorff, Bärbel Paetow/Mania aus Augustwalde mit Ehemann Knut Paetow. |
Vor der Schule in Arnswalde -
v. l. Irmgard Rusch/Dräger, Frau Hoth aus Tramstow und Erhard Schülke.